Tom Otte

Jedes System hat Grenzen

Jedes System hat Grenzen

Die Vielfalt der Welt ist für unser Gehirn nicht vollständig zu erfassen. Wer in komplexen Zusammenhängen agiert, muss die eintreffenden Daten immer reduzieren, will er nicht handlungsunfähig werden. Die Frage ist dann, von welchen Faktoren wir dabei absehen.

Das binäre logische Denken ist bei Forschern längst in Misskredit geraten. Die Welt ist nie schwarz oder weiß, es folgt nicht immer auf A auf B. Im Gegenteil – oft ist ein zuvor unbekanntes X das Resultat, auf das es zeitnah zu reagieren gilt.

Gerade das Top-Management trifft seine Entscheidungen daher nicht länger nach dem Entweder-Oder-Prinzip. Überall dort, wo es ein Meer von Alternativen gibt, vor allem also dort, wo wir es mit dem ‚menschlichen Faktor‘ zu tun haben, reduziert zwar logisches Denken weiterhin die vorgegebene Komplexität, aber es gibt keine vorgeschriebenen Lösungswege mehr, die uns wie auf Schienen zum Ziel führen. Oftmals wird der Weg wird gewissermaßen das Ziel: Wir machen einen Schritt, wir schauen, wohin er uns brachte, und wir entscheiden uns erst dann neu für den nächsten Schritt, so wie ein guter Lotse in unbekannten Gewässern sein Senkblei handhabt.

Wo immer komplexe Veränderungsprozesse gesteuert und beeinflusst, wo immer Visionen entwickelt und verwirklicht werden sollen, da ist das binäre, geradlinige Denken geradezu zum Hindernis geworden. Hinweise auf jene bekannten Großprojekte, wo alle Zeitschienen und Kostenpläne in kurzer Frist zu Makulatur wurden, die verkneife ich mir einfach.

Mich lehrte Frau Professorin Rappe-Gieseke von der Universität Hannover, die Komplexität nicht als Gefahr für Projekte zu betrachten, die es deshalb mit dem ‚Reduktionsmesser‘ zu bekämpfen gelte. Sie entwickelte – gemeinsam mit Michael Giesicke – einen Denken, das überkomplexe Phänomene erfassen kann. Sie lehrt mich, mein binäres Denken um eine dritte Dimension zu erweitern und so Komplexität zuzulassen.

Statt auf ein Entweder-Oder vertraue ich seither auf ein Sowohl-als Auch, statt auf ein Nacheinander auf ein Gleichzeitig. Denn auch in der Beratung gibt es keine linearen Kausalketten von Anamnese, Diagnose und Intervention, die sich als Arbeitsphasen voneinander abgrenzen ließen. Ich habe gelernt, dass eben diese Prozesse häufig gleichzeitig und parallel ablaufen, wenn auch unterschiedlich gewichtet. Ein solches ‚triadisches Denken‘ ist grundlegend für meinen professionellen Ansatz.

Coaching ist danach eine zeitnahe reagierende Intervention, deren Erfolg von der persönlichen Entwicklung, dem Zusammenwirken im Team und der Professionalität als Funktionsträger abhängt.

mehr zum Ansatz des triadischen Denkens

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